Title 
MEDAON 5 (2011), 8
Other title information 

Published on
Frequency 
zweimal jährlich
Price
open access, Online-Zeitschrift

 

Kontakt

Organization name
MEDAON - Magazin für jüdisches Leben in Forschung und Bildung
Country
Germany
c/o
Redaktion MEDAON, HATiKVA e. V., Pulsnitzer Str. 10, 01099 Dresden, Tel. 0351/8020489,
By
Ulbricht, Gunda

Editorial

Maciej Moszyński (Poznań/Berlin) spürt in der April 2011-Ausgabe der Position des literarisch-gesellschaftlich-politischen Wochenblatts Głos in der publizistischen Landschaft Kongresspolens nach. Zentrales Interesse richtet sich dabei auf den Anspruch des Blattes, neue Perspektiven in die gesellschaftliche Debatte einzubringen, einem Liberalismus ebenso entgegenzutreten wie Jüdinnen und Juden zunehmend als Feind der polnischen Gesellschaft zu markieren und somit als herausgehobenes Medium in der ideologischen Verschmelzung von modernem Antisemitismus und polnischem Nationalismus zu fungieren. Nike Thurn (Trier) rückt sowohl fingierte „jüdische“ Identitäten als auch Figuren, die als „Juden“ gelesen werden, in das Erkenntnisinteresse der literaturwissenschaftlichen Antisemitismusforschung und wirft unter anderem Fragen nach deren textinternen Funktionen sowie historischen Kontexten dieses Spiels mit Identitäten, Rollen und Zuschreibungen auf.

Claudia Pawlowitsch und Alexander Kästner (Dresden) leisten einen lokal verankerten Beitrag zur historischen Suizidforschung: Sie beleuchten die gebündelten, religiös intendierten Bemühungen der jüdischen Gemeinde in Dresden gegenüber den landesherrlichen und städtischen Behörden um die schließlich erfolgte Herausgabe des Leichnams des als „Judas Pollack“ bezeichneten Juden, der sich Ende 1771 in der Dresdner Amtsfronfeste selbst tötete. In der Reihe „Jüdische Schriftstellerinnen – wieder entdeckt“ erinnert Jana Mikota (Siegen) an Alice Berend. Uri Kaufmann (Heidelberg) geht dem Aufenthalt und der rituellen Reinigung jüdischer Frauen in europäischen Mikwen seit der frühen Neuzeit nach.

Karolin Oppermann (Göttingen) verweist eindrücklich auf christliche Autoren in Sulamith, die als erste jüdische Zeitschrift in deutscher Sprache und Schrift gilt und zwischen 1806 und 1843 erschien. Sie fragt zum einem nach dem Gehalt der Beiträge in Beziehung zur Programmatik der Zeitschrift und zum anderen nach der zugeschriebenen Rolle der Autoren im publizistischen Diskurs der „Verbürgerlichung“ der Jüdinnen und Juden. Hans Joachim Seiler (Kusel) entwickelt eine kleine Etymologie des hebräischen „Gürtel“. Cornelia Siebeck (Berlin) gibt Einblicke in die Geschichte der Institutionalisierung des Gedenkens an das Konzentrationslager Flossenbürg und richtet ihr Augenmerk insbesondere auf die beiden Dauerausstellungen „Konzentrationslager Flossenbürg 1938-1945“ (2007) und „was bleibt – Nachwirkungen des Konzentrationslagers Flossenbürg“ (2010).

Bettina Joergens (Detmold) stellt umfangreiche Tonbandaufnahmen von Interviews mit Holocaust-Überlebenden im Bestand des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen einer erweiterten Öffentlichkeit vor, Eva-Maria Thimme (Berlin) eine Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin, welche seltene Publikationen aus „Displaced Persons“-Camps der anglo-amerikanischen Besatzungszonen Nachkriegsdeutschlands umfasst.

Merit Kegel (Leipzig) führt in die für Sachsen einmaligen archivpädagogischen Ansätze des Hauptstaatsarchivs Leipzig zur Vermittlung jüdischer Geschichte ein. Matthias Heyl (Neustrelitz/Ravensbrück) prüft die DVD „Vernehmungen. Pädagogische Auseinandersetzung mit Täterinnen und Tätern im Nationalsozialismus“, welche der Trägerverein von MEDAON, HATiKVA e. V. (Dresden), Multiplikatoren zur überregional möglichen Verwendung anbietet.

Wie gewohnt werden neue wissenschaftliche Publikationen kritisch gewürdigt. Besondere Erwähnung soll an dieser Stelle die Sammelrezension von Felix Korsch (Leipzig) finden, der jüngere Beiträge zum Verhältnis der politischen Linken in Deutschland zu Antisemitismus, Israel und dem „Nahost-Konflikt“ einschätzt.

Die aktuelle Ausgabe von Medaon wäre ohne die Unterstützung von Wendy Anne Kopisch, Phillip Roth und Stefan Schwarz sowie allen Gutachterinnen und Gutachtern nicht zustande gekommen; die Korrektur besorgten Cathleen Bürgelt sowie Gunther Gebhard und Steffen Schröter von text plus form – die Redaktion dankt ihnen allen herzlich.

Die Redaktion von Medaon im April 2011

Table of contents

INHALTSVERZEICHNIS

Artikel

Maciej Moszyński – ‚Volksfreunde‘ und Judenfeinde. Die Wochenzeitung Głos (1886–1894) und die Anfänge des modernen Antisemitismus in Kongresspolen

Nike Thurn – Falschmünzer und Findelkinder: Fingierte jüdische Identitäten in der Literatur – ein Desiderat der literaturwissenschaftlichen Antisemitismusforschung?

Bildung

Matthias Heyl – Lernziel Empathie? Vernehmungen. Pädagogische Auseinandersetzung mit Täterinnen und Tätern im Nationalsozialismus. Dresden 2010, DVD herausgegeben von HATiKVA e. V.

Merit Kegel – Wo beginnt Verantwortung? Das Bildungsangebot des Sächsischen Staatsarchivs zur Ausstellung „Strukturen der Macht. Die Verfolgung der Leipziger Juden 1938/39“

Miszelle

Claudia Pawlowitsch/Alexander Kästner – Vor dem Zerstückeln bewahrt. Die außergewöhnliche Geschichte des Leichnams von Judas Pollack

Cornelia Siebeck – Ein Dorf und seine KZ-Vergangenheit Ortsbesichtigung in Flossenbürg

Hans-Joachim Seiler – Wie „Gürtel“ ein Lehnwort im Hebräischen wurde

Jana Mikota – Jüdische Schriftstellerinnen – wieder entdeckt: „Eine Humoristin ist uns gekommen“: Alice Berend

Karolin Oppermann – „… ich ersuche ihn herzlich, uns recht oft mit seinen vortrefflichen Aufsätzen zu erfreuen.“ Christliche Autoren in der Zeitschrift Sulamith

Uri R. Kaufmann – Jüdische Ritualbäder (Mikwaot) und die jüdische Frau

Quelle

Bettina Joergens – Archivierte Erinnerung: Tonbandaufnahmen von Interviews mit Holocaust-Überlebenden – der Bestand D 80 A des Landes-archivs Nordrhein-Westfalen

Eva-Maria Thimme – „Befreit, aber nicht frei …“. Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland und ihre Bücher. Vom Aufbau einer Sammlung in der Orientabteilung der Berliner Staatsbibliothek

Rezensionen

Björn Siegel: Österreichisches Judentum zwischen Ost und West. Die Israelitische Allianz zu Wien 1873-1938 (Evelyn Adunka)

Cilli Kasper-Holtkotte: Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main in der Frühen Neuzeit. Familien, Netzwerke und Konflikte eines jüdischen Zentrums (Daniel Ristau)

Deborah Hertz: Wie Juden Deutsche wurden. Die Welt jüdischer Konvertiten vom 17. bis zum 19. Jahrhundert (Anke Költsch)

Elissa Mailänder Koslov: Gewalt im Dienstalltag. Die SS-Aufseherinnen des Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek (Simone Erpel)

Hannah Arendt, Gershom Scholem: Der Briefwechsel (Tobias Ebbrecht)

Lucien Steinberg: Nach der Katastrophe. Reflexionen über Antisemitismus und den Holocaust 1970–2007 (Sebastian Voigt)

Multimedia: audioscript zur Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Dresden 1933-1945 (Katja Krause)

Sammelrezension: Deutsche Linke und ihr Fortschritt gegen Israel (Felix Korsch)

Samuel Salzborn: Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne: sozialwissenschaftliche Theorien im Vergleich (Frank Schlöffel)

Shlomo Venezia: Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden (Marianne Kröger)

Tobias Schenk: Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des „Aufgeklärten Absolutismus“ in Preußen (1763-1812) (Irene Aue)

Other issues ⇓